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Die Kleinbahn Edewecht – Bad Zwischenahn

  • Autorenbild: Heimatarchiv Team
    Heimatarchiv Team
  • 2. Aug.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 2 Tagen


Im Jahr 1912 war es soweit. Kurz vor Weihnachten wurde das „stille und weltfremde Dorf Edewecht“ (laut damaligem Zeitungsredakteur) mit der Kleinbahn Edewecht – Zwischenahn an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Für die gesamte Gemeinde war der 15. Dezember 1912, der Tag der Betriebseröffnung, ein Festtag. „Hohe Gäste“ nahmen an der Einweihung teil und kostenlos fuhren Sonderzüge zwischen Edewecht und Zwischenahn.


1920 Bahnhofsgebäude
1920 Bahnhofsgebäude

Bereits 1899 erwog die Oldenburgische Landesregierung, einen Bahnanschluss von Cloppenburg über Friesoythe an die Hauptlinie Oldenburg – Leer herzustellen. Damals war man sich uneinig, ob dieser Anschluß über Ocholt oder Edewecht nach Zwischenahn erfolgen sollte. Doch 1903 beschloß der Landtag den Bau der Linie Friesoythe – Ocholt.


Warteraum I. Klasse
Warteraum I. Klasse

Die Gemeinde Edewecht, die um diese Zeit durch Straßen- und Schulbau finanziell erheblich belastet war, mußte von dem Vorschlag Abstand nehmen, einen Kleinbahnanschluß nach Zwischenahn in eigener Regie herzustellen. Als „äußerst kühn“ wird deshalb noch heute der Beschluß des Edewechter Gemeinderates aus dem Jahr 1909 empfunden, eine gemeindeeigene Bahn zu bauen. 429.000,-- Goldmark sollte das Projekt einem Kostenvoranschlag zufolge kosten. Das Großherzogliche Ministerium bewilligte einen Zuschuß von 30 Prozent. Den Rest beschafften sich die Gemeindeväter in Form eines Darlehens, dieses in der Hoffnung und Gewißheit, daß die Gemeindebahn sich voll rentieren würde.


Ein Reingewinn von über 12.000,-- Goldmark im ersten Betriebsjahr stellte die Rentabilität voll unter Beweis. Auf der Einnahmenseite spielten die Erträge aus dem Personenverkehr mit rund 11.000,-- Mark noch eine große Rolle. Die überzeugende Bilanz und damit die ausschlaggebenden Erträge waren auf den sofort stark einsetzenden Güterverkehr zurückzuführen. Der Einfuhr von Kunstdünger, Getreide, Futtermitteln und Schlachtvieh stand die Ausfuhr von Fertigwaren der Schlachtbetriebe, Molkereiprodukten, Zielgeleierzeugnissen und Baumschulpflanzen gegenüber.




Nicht zuletzt, um der aufblühenden Torfindustrie am Küstenkanal Möglichkeiten für den Absatz ihrer Torfstreu- und Brenntorfprodukte zu erschließen, wurde im Jahr 1917 der Weiterbau der Bahnstrecke bis Edewechterdamm beschlossen. 1920 wurde dieser Abschnitt mit den Bahnhöfen Osterscheps und E-damm in Betrieb genommen. Die gesamte Bahnstreckenlänge betrug damit 12,2 km. Ab 1920 übernahm die Deutsche Reichsbahn die Betriebsführung, wobei die Kleinbahn im Eigentum der Gemeinde Edewecht verblieb.


1917 Kinderlandverschickung; Ankunft in Edewecht
1917 Kinderlandverschickung; Ankunft in Edewecht

In den 20er Jahren setzte die Edewechter Kleinbahn diverse Sonderzüge zur Beförderung von Arbeitern zur Baustelle des Küstenkanalausbaus ein. Der Güterverkehr nahm nochmals erheblich zu. Neben der bereits eingesetzten Dampflokomotive wurden zwei weitere Dampfloks und erforderliche Waggons angeschafft. Der Versand der Torfprodukte machte später ca. vier Fünftel des gesamten Güterverkehrs aus. Es mußten Sonderzüge eingesetzt werden, um die täglich manchmal über 100 Waggons (!) bewegen zu können. Die Beförderungsmenge erreichte in den 30er Jahren pro Jahr 110.000 to.


Eine der Edewechter Dampfloks mit Torfbefeuerung
Eine der Edewechter Dampfloks mit Torfbefeuerung
Getreideanlieferung beim Bahnhof Edewecht
Getreideanlieferung beim Bahnhof Edewecht

Der II. Weltkrieg brachte der Kleinbahn schwere Rückschläge. In den letzten Kriegstagen wurden die Bahnhöfe Ekern und Osterscheps völlig zerstört; der Edewechter Bahnhof wurde schwer beschädigt.  Außerdem zerstörte feindliches Feuer die beim Bahnhof Edewechterdamm über den Küstenkanal führende Eisenbahnbrücke. Durch Tieffliegerbeschuß gab es bei einem im Einsatz befindlichen Zug auf dem Portsloger Bahnabschnitt Tote.


Der Edewechter Bahnbetrieb wurde alsbald wieder aufgenommen. Wegen der zunehmenden Motorisierung der Bevölkerung durch Pkw und Motorräder wurde der Personenverkehr per Bahn im Jahr 1950 eingestellt. Sonder-Personenfahrten fanden später sporadisch statt, so z. B. im August 1984 zur Beförderung der Edewechter und Edewechterinnen zur „Bad Zwischenahner Woche“. Gleichfalls erinnern sich die Edewechter sicherlich noch an die Fahrten mit dem „Edewechter Samba-Express“. Für diese Fahrten wurde seinerzeit ein instandgesetzer Personenwagen von 1954 von der DB erworben. Der Andrang aus der Bevölkerung war jedes Mal sehr groß. Im Jahr 1991 unternahm die Ev.- luth. Kirchengemeinde Bad Zwischenahn eine „Abschiedsfahrt“ mit der Kleinbahn mit gemeinsamem Klönen, Singen und Kaffee- und Kuchenverzehr.



Ein Blick zurück: Die beiden im Einsatz der Kleinbahn befindlichen Dampflokomotiven wurden im Jahr 1958 durch eine Jung-Diesellok mit 340 PS ersetzt. Diese Zugmaschine auf Schienen war bis zur Betriebseinstellung der Edewechter Kleinbahn Anfang der 90er Jahre im Einsatz. Das Güteraufkommen konnte in den folgenden Jahren weiter gesteigert werden. Es belief sich z. B. im Jahr 1961 auf 51440 Tonnen Wagenladungsgüter, 8860 Tonnen Stückgut und 51 Tonnen Expressgut. In den Folgejahren nahmen die Bahnfrachtmengen kontinuierlich ab. Dennoch war zu der Zeit die Edewechter Kleinbahn für große Unternehmen in der Region beinahe lebenswichtig. 1971/72 entstanden Anschlußgleise zur Meica Fleischwarenfabrik und zu der Ziegelei Röben in Querenstede.



Das Frachtaufkommen belief sich Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre auf 57.600 bis 65.000 Tonnen. Im Jahr 1977 endete die Bundesbahnbetriebsführung. Die Gemeinde Edewecht übernahm mit eigenem Personal die Leitung ihrer Kleinbahn. Wie in der Bundesrepublik Deutschland allgemein zu beobachten war, gewann in den weiteren Jahrzehnten der LKW-Verkehr die Oberhand. Vorteil war neben der standortnahen, individuellen Be- und Entladung insbesondere die Schnelligkeit des Gütertransportes per LKW. Der Reichskraftwagentarif (RKT), der die Grundlage für Frachttransportpreise im LKW-Verkehr regelte und die Gütertransportkosten zwischen den beiden Konkurrenten angleichen sollte, schaffte hier letzten Endes keine Abhilfe.


Hauptnutzer der Kleinbahn waren zuletzt die Torfwerke am Küstenkanal. Auch hier dachte man am Ende über alternative Transportmöglichkeiten per LKW nach. Die Edewechter Kleinbahn war durch hohe Betriebsverluste in große finanzielle Schwierigkeiten geraten.


Edewechter Bahnhof in den 60er Jahren
Edewechter Bahnhof in den 60er Jahren
1962; Bedienstete der Edewechter Kleinbahn
1962; Bedienstete der Edewechter Kleinbahn

Im Jahr 1989 wurde die Kleinbahn an die Gemeinde Bad Zwischenahn für einen Kaufpreis von 650.000,-- DM verkauft. Damit konnten sämtliche Verbindlichkeiten, die die Gemeinde Edewecht für den Schienenbetrieb in den Büchern stehen hatte, getilgt werden. Die benachbarte Gemeinde Bad Zwischenahn hatte großes Erwerbsinteresse an der Kleinbahntrasse aufgrund des geplanten Baues der Ortsumgehung im Kurort. Spätestens im Jahr 1991 wurde die Kleinbahn endgültig eingestellt. Damit fand die fast 80 Jahre andauernde Edewechter Bahngeschichte ihren Schlußpunkt.    


1991; Abschiedsfahrt mit großer Beteiligung der Bevölkerung
1991; Abschiedsfahrt mit großer Beteiligung der Bevölkerung
„Großer Bahnhof“ für die letzte Fahrt nach Bad Zwischenahn
„Großer Bahnhof“ für die letzte Fahrt nach Bad Zwischenahn

Im Zuge der stetig wachsenden Bedeutung des Fremdenverkehrs dachte man zu dieser Zeit bereits an die Schaffung eines Fuß- und Radweges anstelle des Schienenstranges auf dem Bahndamm. Die Landesregierung in Hannover stellte entsprechende finanzielle Mittel in Aussicht.


Die ehemalige Bahnstrecke E´damm nach Bad Zwischenahn -  heute ein beliebter, naturnaher Rad- und Wanderweg
Die ehemalige Bahnstrecke E´damm nach Bad Zwischenahn -  heute ein beliebter, naturnaher Rad- und Wanderweg

Heute stellt sich der schöne Radwanderweg Bad Zwischenahn über Edewecht bis nach Edewechterdamm als ein großer Gewinn für die hiesigen Bürger und Touristen dar. Sie können auf diese Weise ein schönes Stück naturnahes, reizvolles und erholsames Ammerland „erfahren“.


Zum Schluß noch ein Bericht zum Thema Kleinbahn Edewecht: Der  u. a. durch Altöl verseuchte Lokschuppen wurde Mitte 1994 abgerissen. Der Gemeinderat gab grünes Licht für den Verkauf des Grundstücks mit anschließender Wohnbebauung.


1995;  Artikel im „Edewechter Blick“ zum Abriß des Bahnhofes
1995;  Artikel im „Edewechter Blick“ zum Abriß des Bahnhofes
1995; die NWZ berichtete am 6.5.95 ausführlich über die Abräumung des Edewechter Bahnhofs
1995; die NWZ berichtete am 6.5.95 ausführlich über die Abräumung des Edewechter Bahnhofs

Großes Unverständnis verursachte ein Jahr später der aus Sicht sehr vieler Bürgerinnen und Bürger überraschende Abriß des markanten Bahnhofgebäudes. Dieses wurde in einer Vielzahl von Leserbriefen in der NWZ dokumentiert. Die Absicht, ein Ersatzgebäude mit Einbindung einer stilisierten, alten Bahnhofsfassade zu realisieren, erfüllte sich bisher leider nicht. Bis heute läßt das vakante, geschichtsträchtige Grundstück beim Passieren Wehmut aufkommen.


Bahnhofsallee
Bahnhofsallee

   


Bilder: Heimatarchiv Edewecht, Almuth Suntay

  




     


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