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  • AutorenbildJohann Lüschen

Wilhelm Seiz, der achte Prediger des Bezirks Edewecht / Westerstede (1875–1876)

Wilhelm Seiz war nur ein Jahr der geistliche Leiter des Bezirks Edewecht / Westerstede / Westrhauderfehn. Obwohl er noch sehr jung und noch gar nicht ordiniert war, bediente er damit doch schon seine vierte Gemeinde.




Edewecht und seine methodistische Gemeinde befanden sich am Anfang eines über eine ganze Generation anhaltenden Friedens. Von den hohen Reparationszahlungen von Seiten Frankreichs profitierte auch Edewecht. Die doch verhältnismäßig ärmere Zeit zur Zeit der Gemeindegründung 20 Jahre zuvor war vorüber.


Wilhelm wurde am 10. März 1848 in Möttlingen im nördlichen Schwarzwald geboren. Das Dorf hatte zu seiner Zeit nicht einmal 500 Einwohner. Seine Eltern, der Weber Johann Michael Seiz und seine Frau Eva Katharina geborene Rau, gehörten zur unteren Einkommensschicht des Dorfes. Der Vater starb, als Wilhelm sieben Jahre alt war. Die Mutter wird als fromm charakterisiert. Er hatte noch drei Geschwister. Ein Bruder starb als kleines Kind. Ein Bruder und eine Schwester könnten ausgewandert sein, weil sich ihr weiterer Lebensweg für Deutschland nicht ermitteln ließ.


Er wuchs in enger Nachbarschaft mit zwei bedeutenden evangelischen Persönlichkeiten auf. Zum einen mit dem sechs Jahre älteren Christoph Friedrich Blumhardt. Er war ein bedeutender Vertreter des württembergischen Pietismus, Liederdichter und war später auch SPD-Landtagsabgeordneter in Württemberg. Und dann mit dem sieben Jahre jüngeren Friedrich Stanger, der später ein berühmter pietistischer Prediger, Seelsorger und Heiler wurde.


Möttlingen gehörte zu meinem Bezirk als Sozialarbeiter im Jugendamt des Landkreises Calw. Genauso wenig, wie ich die Leute dort verstand, wird er auch in Edewecht Sprachschwierigkeiten gehabt haben.


Wilhelm Seiz absolvierte eine Lehre. Sein Studium im Predigerseminar Frankfurt begann er 1868 im Alter von 20 Jahren. Er war dann Mitglied der „Missionskonferenz Deutschland/Schweiz“, danach der Süddeutschen Konferenz der Methodistenkirche. Er wurde 1873 als Diakon ordiniert und 1876 als „Ältester“.


Seine erste Dienstzuweisung war Pforzheim, wo er der „zweite Prediger“ war. 1872 finden wir ihn in Zwickau im Erzgebirge und 1874 in unserem Nachbarbezirk Oldenburg.

Im Jahre 1874 heiratete er Pauline Lustnauer aus Neuenbürg, die ebenfalls aus dem Nordschwarzwald stammte.


Am 30. Juli 1875 kam er in Edewecht an. Seine Mutter zog nach Edewecht, um ihrer hochschwangeren Schwiegertochter beizustehen. Das erste Kind, Louis Rudolf, wurde am 5. November „abends um 7 Uhr“ in der Wohnung der Edewechter Kapelle geboren. Vier weitere Kinder kamen später dazu. Seine Frau Pauline starb 1893 nach 19-jähriger Ehe. Er heiratete danach am 8. Mai 1897 Pauline Gruner aus Calw.


Noch einmal zurück zu seiner Edewechter Amtszeit: Ihm zur Seite stand der „Sesshafte Prediger“ Heinrich Stoffers. Während seiner Amtszeit kommt ein zweiter Laienprediger dazu: Johann Wenke. Die Gemeinde Westrhauderfehn gehörte noch zum Bezirk. Dort wurde am 17. Oktober 1875 die Kapelle eingeweiht.


Für 1876 weist die amerikanische Missionsbehörde, zu der Edewecht noch gehörte, 99 Mitglieder und 48 Probeglieder aus. Drei Kirchengebäude in Edewecht, Westerstede und Westrhauderfehn sind Zentren des Gemeindelebens. In fünf Sonntagsschulen werden Kinder christlich unterwiesen. Im Februar wurden zwei Personen als Mitglieder aufgenommen. Am 9. April wurden von Prediger Seiz 24 Personen aus Westrhauderfehn als „Probeglieder der Methodistengemeinde“ aufgenommen. Ebenfalls wurden fünf Personen aus Südgeorgsfehn zur Probe aufgenommen, die später dem neuen Bezirk Westrhauderfehn zugeteilt wurden.


Am 30. März 1876 taufte er in der „neuen Capelle in Westrhauderfehn“ Pauline, Tochter des Lambertus de Frese. Sie heiratet später den Prediger und Direktor des Bethanien-Krankenhauses Heinrich Ramke. In die Amtszeit von Prediger Seiz fiel auch die Geburt und Taufe von Gerhard Brunßen, der später eine tragende Säule der Edewechter Gemeinde wurde und eine große Nachkommenschaft hinterließ. Viele wurden Mitglieder von methodistischen Gemeinden.


Das Ende seiner Amtszeit fällt zusammen mit dem Abtrennen der Westrhauderfehner Gemeinde. Sie wird ein eigener Bezirk und erhielt mit Ludwig Söffner ihren ersten Prediger.


Es hat große Kräfte gekostet, diese weit entfernte westliche Gemeinde des Edewechter Bezirks zu versorgen. Diese Gemeinde war noch nicht gefestigt, bekam aber von Auswanderern aus Amerika hohe finanzielle Unterstützungen. Nur so konnte auch die Kirche dort gebaut werden. Selbst der zuständige Superintendent Jakob Locher stand nicht hinter dem Projekt. Er schreibt öffentlich: „In Rhauderfehn, wo seit der Conferenz bis Dezember Br. Kaufmann wirkte, der jetzt als Soldat im Dienste steht, aber dort in gutem Andenken ist, arbeitet jetzt Br. Rohr wieder im Segen. Es wird daselbst eine Kapelle erbaut, die freilich nicht nach meinem Geschmack ist, aber was muß man nicht thun, wenn Conferenzbeschlüsse und die Kasse so gebieterisch dareinreden. Die Mission daselbst verlangt ihr Dasein einerseits dem Wunsch und der kräftigen Unterstützung eines lieben Bruders in Amerika, und ohne seine Hülfe könnten wir auch keine Kapelle dort erbauen, und gewiss schulden die durch uns zu Gott geführten Personen in Rhauderfehn und Umgebung nebst Gott ihm viel Dank. Gott segne ihn dafür.“


Zuletzt war Wilhelm Seiz gesundheitlich sehr beeinträchtigt. Er erhoffte sich von einer Kur eine Besserung. Bei einem Spaziergang wurde er ohnmächtig und „blieb lange am Boden liegen“. Davon erholte er sich nicht mehr. Er starb am 26. Juli 1903 im Alter von 55 Jahren – nach dreißig Jahren aktivem Predigerdienst. Für seinen Arzt war ein Herzleiden die Ursache. Am 29. Juli wurde er nach einem sehr feierlichen Trauergottesdienst auf dem Friedhof in Speyer beerdigt. Am 2. August fand noch eine besondere Trauerfeier statt. Alleine daran, dass elf seiner Predigerkollegen teilnahmen, wird deutlich, wie bedeutend er für die Pionierzeit des Methodismus war.


Seine letzten Jahre waren überschattet durch den Tod seines 23-jährigen Sohnes Theophil, der schon auf dem Weg war, Methodistenprediger zu werden.

In seinem Nachruf im „Evangelisten“, dem damaligen Sonntagsblatt der deutschen Methodisten wird sein guter Charakter, seine Frömmigkeit und das Zutrauen Aller betont.


Prediger Wilhelm Seiz bediente in seinem Predigerleben 16 Bezirke. Er wurde im Durchschnitt alle zwei Jahre versetzt. Seine Gemeinden nach Edewecht waren Bremerhaven, Bielefeld-Metten, Bielefeld, Plauen, Nagold, Calw, Kreuznach, Lahr, Straßburg und Neunkirchen.


Nach fast 145-jährigem Abstand drängt sich die Frage auf, was damals die methodistische Kirchenleitung bewog, Prediger schon nach einem Jahr zu versetzen. Es waren im Fall Seiz zwar noch keine schulpflichtigen Kinder in der Familie, auf die man hätte Rücksicht nehmen müssen. Aber, ob diese schnell aufeinanderfolgenden Predigerwechsel für die Gemeinde förderlich waren, kann mit gutem Grund angezweifelt werden. Ich bewundere im Nachhinein die Prediger, die diesen Versetzungen ohne Murren nachkamen.


Was hat Wilhelm Seiz in einem Jahr leisten können? Die Kerngemeinde Edewecht musste bedient werden, dazu die Hauptpredigtplätze Westerstede und Westrhauderfehn, die eigene Gemeinden bildeten. Zwar standen ihm Kollegen zur Seite, aber Beständigkeit und Nachhaltigkeit konnten sich so gewiss nicht einstellen.

Wilhelm Seiz war das typische Beispiel für ein treues Predigerleben. Er arbeitete immer an der Basis und übernahm nie andere Ämter in seiner Kirche. Er verdient unseren tiefen Respekt.

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