Edewechter Köpfe: Johann Bünting - ein Bauernsohn, der die Keimzelle zu einem Milliardenkonzern begründete
- Heimatarchiv Team

- 11. Nov.
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Aktualisiert: vor 2 Tagen
Johann Bünting - ein Edewechter Bauernsohn, der die Keimzelle zu einem Milliardenkonzern begründete

Von Kayhausen nach Edewecht
Das alteingesessene Adelsgeschlecht derer „Buntingh“ ist bereits um 1200 als „Herren von Kayhausen“ am Zwischenahner Meer ansässig. Vermutlich unterhalten sie die geschichtsträchtige „Burg Kayhausen“ (jetziger Standort „Ahrenshof“).
Dieser Hauptlinie der Kayhauser Büntings entstammen mit großer Wahrscheinlichkeit die Edewechter Büntings, die hier erstmals 1378 urkundlich erwähnt werden. Unter den Edewechter Adelsherren zählen die Büntings zu den Einflußreichsten und Wohlhabensten. Auch nachdem sie in den Bauernstand übergetreten sind, spielen Büntings in Edewecht eine mitbestimmende Rolle. Ihr Geschlecht verzweigt sich weit über die Grenzen des Ortes hinaus.
Bleiben wir in Edewecht und wagen wir einen Sprung in das 18. Jahrhundert. Von den Eheleuten Oettke und Grete Bünting, die 1736 heiraten, stammt unter anderem der Sohn Oettke Bünting (1750 – 1797). Er ist in erster Ehe mit Gesche Heinje und in zweiter Ehe mit einer Tochter vom Gehrels-Hof in Westerscheps verheiratet. Oettke Bünting ist „Chirurgus“ und Krüger, betreibt eine Gastwirtschaft auf „Grubens adelich freyen Gründen“, heute in Höhe der Einfahrt von der Edewechter Hauptstraße in den „Grubenhof“.

Von Edewecht ins ostfriesische Leer
Aus der ersten Ehe von Oettke und Gesche Bünting entstammt der Sohn Johann (1782 – 1853). Als Zweitgeborenem steht ihm kein Erbe am väterlichen Grundbesitz zu. Johann Bünting lernt an der Lateinschule, Vorläufer des heutigen Gymnasiums, und wird dann Gerichtsschreiber in Zwischenahn. Der kaufmännisch begabte Bünting sieht seine Zukunft im Aufbau einer eigenen Existenz. Um das Jahr 1800 geht er in das eine Tagesreise entfernte Leer. Es ist eine Grenzüberschreitung; Bünting verläßt das Herzogtum Oldenburg und betritt das machtvolle Preußen, zu dessen Herrschaftsbereich Ostfriesland damals gehört.
Es ist eine beschwerliche Reise durch schwer wegsames Moor und schlecht passierbare, bei Regen aufgeweichte Geestrücken. Menschen und Waren werden zu dieser Zeit eher über kleine Flüsse und Kanäle transportiert. Johann Bünting wird überwiegend den Wasserweg über Jümme/Leda nach Leer genommen haben. Unterwegs wird ihm die Losung eines Vorfahren aus dem 17. Jahrhunderts durch den Kopf gegangen sein:
„So will ick doch nich afgelan (aufgeben)
Unde will wat anders fangen an,
Dat kann my nemand wehren“
Zunächst geht Johann Bünting bei Börner in Leer in die kaufmännische Lehre. Am 1. Mai 1806 pachtet er einen „Kruideniers-Handel“ (Lebensmittel). Johann Bünting beginnt sofort, mit Kolonialwaren und besonders mit Tee zu handeln. Er weiß von der für den Handel idealen Lage Leers einerseits an der Ems, verbunden mit der Nordsee, dem Rheiderland und dem Emsland, andererseits mit der Anbindung an die Leda und die Jümme mit dem Hinterland. Am 3. Mai 1806 z. B. stehen von einem ankommenden Frachtschiff aus Amsterdam Tabak, Tran, Tee und „einige Piepen Barceloner Branntwein“ an. Johann Bünting bietet mit und kauft ein für seine Geschäftsräume. Das geschichtsträchtige Stammhaus steht bis heute in der Brunnenstraße 37 in der schönen Altstadt Leers.


Johann Bünting heiratet die Leeranerin Eta Klopp. Der Ehe entstammen elf Kinder (fünf Söhne und sechs Töchter). Ein weit verzweigter Ast der Leeraner Bünting-Linie kann nachgewiesen werden. Dieser verteilt sich über die Welt und reicht vom Zollamtmann, Ingenieur, Gymnasialprofessor, Landgerichtsrat, Staatsanwälten und mehreren Inlandskaufleuten bis hin zum Importeur in Rio de Janeiro.
Die Kontinentalsperre Napoleons gegen England beginnt im Jahr 1806. Sämtlicher Schiffsverkehr an der Nordseeküste kommt damit praktisch zum Erliegen. Dieser Umstand stört den gerade gegründeten Handel des Johann Bünting erheblich. Die Ostfriesen zeigen sich als erfahrene Segler sehr gewitzt im Schmuggel. Daß Johann Bünting sich hier beteiligt, ist mehr als wahrscheinlich. Er kommt in Schwierigkeiten mit der französischen „Tabak-Regie“, mit der alle Tabake vom französischen Monopol konfisziert werden. Möglicherweise hat Bünting Anteile an einem Blockadebrecherschiff, sodaß er daraufhin mit der französischen Obrigkeit aneinandergerät und in Groningen (1811) sowie in Frankreich (1813) inhaftiert und zur Zwangsarbeit in Ketten verurteilt wird.
Napoleon wird besiegt und die allgemeine Lage entspannt sich allmählich. Am 1. Januar 1816 wird von Johann Bünting gemeinsam mit dessen Schwager Weert Klopp das Unternehmen „J. Bünting & Co.“ gegründet. Die neue Firma nimmt durch kaufmännisches Geschick eine schwunghafte Aufwärtsentwicklung. Sie darf sich mit dem Attribut „Ältestes privates Teehandelshaus Ostfrieslands“ schmücken. Die Geschäfte laufen durch kaufmännische Weitsicht weiterhin gut und das Unternehmen erarbeitet sich bei Kunden und Lieferanten einen verläßlichen Namen.

Gängige Handelsgüter sind u. a. der von Johann Bünting am Hafen erworbene Tran für die Lampen zuhause, weiterhin Gewürze und Rohzucker. Abgepackt wird in Tüten, Töpfen und Kannen. Rezepte und Zutaten werden von den Kunden im Laden besorgt für das gewünschte Gericht und die Tinktur, etwa zum Färben von Textilien. Geheimnisvoll ist die als Päckchen verschnürte 100-g-Mischung aus Kräutern, die zuhause mit Alkohol versetzt wird und den legendären „Kruiden“ ergibt. Dieser gilt auch mehr als 200 Jahre später als fester Bestandteil zum ostfriesischen Festmahl.
Johann Bünting steigt auf in das gehobene Bürgertum. Er wird u. a. führendes Mitglied des Leeraner Wohltätigkeitsvereins, der sich die Armenfürsorge zur Aufgabe macht. Johann Bünting wirkt an der Gründung der ersten Ostfriesischen Sparkasse mit, die 1827 vom Wohltätigkeitsverein ins Leben gerufen wird und von wirtschafts- und sozialhistorischer Bedeutung ist.
Vom Krämerladen zum Milliardenkonzern
Im Jahr 1853 verstirbt Johann Bünting im Alter von 71 Jahren. Dessen Sohn Weert Hermann Bünting übernimmt die Firmenleitung, zieht sich aber ab 1872 aus dem Tagesgeschäft zurück. Familie Klopp übernimmt nun die komplette Leitung der „J. Bünting & Comp.“. 1910 beginnt das Unternehmen mit der Kreation erster „Hausmischungen“ und verkauft diese an seine Einzelhändler. Die Nachfrage nach Tee steigt stetig an und 1935 wird „Bünting Grünpack“ auf den Markt gebracht. Es folgen weitere Teesorten; 2013 wird der „Grünpack“ als „Marke des Jahrhunderts“ ausgezeichnet.

Die vom Edewechter Johann Bünting geschaffene Keimzelle in Leer kann heute als Konzernbetrieb mit Milliardenumsatz, unter anderem auf Verbrauchermärkte wie „Famila“, „Combi“ und „Markant“ verweisen. Das 1977 in Oldenburg - Wechloy errichtete Famila-Center galt seinerzeit als der modernste und größte Verbrauchermarkt in Deutschland. Nicht nur damit leistete die Bünting - Unternehmensführung kaufmännische Pionierarbeit, die u. a. zur heutigen Größe der Handelsgruppe führte. Im Jahr 2006 wurde Jubiläum gefeiert,. genau 200 Jahre, nachdem der Gründer Johann Bünting von seiner Edewechter Hofstelle im Herzogtum Oldenburg ins preußische Ostfriesland aufbrach, um sein Glück zu finden.

Hier soll die Geschichte einer reichen Vergangenheit der einstmals „Adlig Freyen derer Büntinge zu Edewecht“ vom Knappen Wille buntinch anno 1395 bis hin zur heute sehr bekannten Bünting - Konzernmarke enden. In der Chronik der Gemeinde Edewecht von 1974, Verfasser Friedrich Winkler, findet sich auf den Seiten 78 – 90 ein ausführlicher Artikel, u. a. mit einem Edewechter Stammbaum zu den Büntings.




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